Ökovariabilität von Winterweizen unter Standortbedingungen
Nordostdeutschlands.
Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doctor rerum
agriculturarum (Dr. rer. agr.) an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen
Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin
Dipl.-Ing. agr. Stefan Mittler
Datum der Promotion: 26. 5. 2000
ISBN 3-89712-900-0
Cuvillier Verlag Göttingen
Zusammenfassung
In den Jahren 1996 bis 1998 wurde die Ökovariabilität von
Winterweizen auf Sandböden in Nordostdeutschland in verschiedenen
Feldversuchen und einem Produktionsexperiment untersucht. Zur
Beurteilung dieser sortenspezifischen Reaktion auf unterschiedliche
Umweltbedingungen in der Ertrags- und Qualitätsbildung wurden
Saatgutbehandlung, Saatzeit, Saatmenge, Mineralische N-Düngung, Sorte
und Fungizidbehandlung variiert.
Die Experimente wurden im Nordostdeutschen Tiefland an vier
verschiedenen Standorten der Versuchsstation Pflanzenbauwissenschaften
der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät an der
Humboldt-Universität zu Berlin und in einem Praxisbetrieb im Oderbruch
(Ostbrandenburg) durchgeführt. Im Mittelpunkt der Auswertung standen
Wachstum und Entwicklung, Ertrag und Ertragsstruktur, äußere und innere
Qualität des Winterweizen sowie die Analyse der
Prüfglied-Umwelt-Wechselwirkung (Variationsanteilsberechnung,
Ökoregression und Ökovalenz).
Die Umwelt (Bodenart und Jahreswitterung) hatte mit bis zu 62 %
den größten Anteil an der Variabilität der Prüfmerkmale. Von den
untersuchten Umwelten erschienen die lehmigen Sandböden für den
Weizenanbau am geeignetsten, da sie die Niederschlagsdefizite
insbesondere in der regional verbreiteten Vorsommertrockenheit durch
substratbedingt bessere Sorptionskraft ausdauernder kompensieren
konnten. Aber auch auf ertragsärmeren, schwach schluffigen Sandböden
zeigte sich, dass Winterweizen mit einem standortangepassten
Produktionsverfahren erfolgreich angebaut werden kann. Bedeutsam wird
dies deshalb, da Vorsommertrockenheit als Hauptursache für die
Mindererträge der Sandböden allgemein und die der schwächeren im
speziellen anzusehen ist. Fördernd wirkten in diesem Zusammenhang die
bodenaufbauenden Effekte des Fruchtwechsels, welche zu besserer
Stabilität hoher Merkmalsausprägungen auf Sandböden führten.
Bereits mit der Wahl eines frühen Saattermins (Ende September)
wurden dem Weizen günstige Entwicklungsmöglichkeiten vor Winter
gegeben, so dass die Pflanzenbestände nach der Vegetationsruhe
kräftiger entwickelt in die Vegetationszeit gingen. Demzufolge erschien
der rechzeitige Saattermin bedeutsam, wenn diese leistungsfähigen
Bestände in eine niederschlagsbegünstigte Vegetationsperiode
hinwuchsen. So war es auch erklärbar, dass die Saatzeit einen
erheblichen Anteil an der Variabilität der Prüfmerkmale, vor allem in
Wechselwirkung mit der Umwelt mit bis zu 15,9 % an der des Kornertrages
hatte.
Mit einer Saatmenge von 250 keimfähigen Körnern/m² konnten
Pflanzenbestände aufgebaut werden, welche vergleichbare Erträge zu
Varianten höherer Saatmengen (350 bzw. 450 keimfähige
Körner/m2) erzielten. Die lichteren Bestände boten zudem den
Vorteil, bei unregelmäßiger Wasserversorgung, meist im Frühjahr,
langsamer in Wasserstress zu geraten, niederschlagsbegünstigte
Bedingungen jedoch effektiv über die Kompensation in den Ähren (höhere
Kornzahl/Ähre, höheres Tausendkorngewicht) zu nutzen. Die für den
Praxisanbau empfohlene Saatmenge von 350 keimfähigen
Körnern/m2 kann als angemessen angesehen werden, zumal
damit in Abhängigkeit vom Standort eine zusätzliche Sicherheit in die
Ertragsbildung integriert wird.
Im Mittel der Stickstoffdüngung erreichten die Sorten "Borenos" (E)
und "Greif" (B) in Abhängigkeit von Umwelt und Saatgutbehandlung
Erträge bis zu 85 dt/ha, wobei die Eliteweizensorte außerdem
eine höhere Qualität realisierte. "Greif" zeigte aufgrund seiner
ausgewogenen Ertragsstruktur im niederschlagsbegünstigten Jahr 1998
Reserven in der Ertragsbildung, wobei eine höhere N-Düngungsintensität
(u.a. Wasser, Nährstoffe) außerdem zu einem gleichbleibend mittleren
Variationskoeffizient der Ökovalenz führten. Die Variationsanteile der
Sorte an der Variabilität von Bestandesdichte und Kornzahl/Ähre ließen
den Schluss zu, dass auf Sandböden am sichersten Weizensorten angebaut
werden, deren ausgewogene Ertragsstruktur hinreichend
Kompensationsmöglichkeit bei umweltbedingten Anlage- und
Entwicklungsdefiziten bietet.
Die mineralische N-Düngung sollte auf die Ertragsfähigkeit des
jeweiligen Standortes ausgerichtet werden, wobei auf den genutzten
Versuchsschlägen der wenig mineralisierte Bodenstickstoff für die
Pflanzenernährung in den Hintergrund trat. Die Steigerung der
Stickstoffdüngung bis zur verhaltenen Intensität von 60 kg/ha N war mit
Ertragseffekten von bis zu 92 % am effektivsten und führte in jedem
Fall zu signifikanten Mehrerträgen (+ 11,2 bis + 21,8 dt/ha). Mit einer
mineralischen N-Düngung von 120 kg/ha N konnten in Abhängigkeit
von der Umwelt zwar die weiter zunehmenden Erträge nur selten
statistisch gesichert werden, jedoch erlangten diese Varianten
sortenbedingt mit einer Volumenausbeute von bis zu 709 ml die
anzustrebende Qualität. Die Möglichkeit einer dritten N-Gabe (30 kg/ha
N) ggf. in flüssiger form, kann auf den bindigeren Sandböden in
Abhängigkeit von der Wasserversorgung der Bestände in Betracht gezogen
werden, wenngleich die Wirtschaftlichkeit dieser N-Versorgung
insbesondere wegen des moderaten Mehrertrags beider Sorten zu prüfen
ist. Demgegenüber konnte auf sorptionsschwächeren schwach schluffigen
Sanden bereits mit 60 kg/ha N der höchste Ertrag realisiert werden.
Insbesondere dort barg eine durch höhere N-Düngung größer ausgebildete
Blattfläche Nachteile in der Ausbildung der Kornzahl/Ähre und des
Tausendkorngewichts, so dass Mehrerträge nicht erzielt wurden.
Die Anbauregion, in welcher die Versuche angestellt wurden, ist von
halbkontinentalem Klima mit ausgeprägten Trockenperioden beeinflusst,
so dass der Infektionsdruck durch pilzliche Blatt- und Ährenpathogene
vermindert ist. Dennoch erzielte die schwellenwertorientierte
Fungizidbehandlung im Blatt- und Ährenbereich einen
signifikanten Mehrertrag von 8 % gegenüber der unbehandelten Kontrolle.
Die Saatgutbehandlung mit Fluquinconazole (Jockey®) zur
Eindämmung der Schwarzbeinigkeit (Gaaeumannomyces graminis var.
Tritici) wirkte ertragssichernd und ließ Möglichkeiten zur Verminderung
der Fungizidapplikation im Blatt- und Ährenbereich erkennen. Die
Ertragsbildung führte zu gleichen Ergebnissen wie in dem System Beize +
fungizid, wodurch ein zusätzlicher Nutzen der Behandlung in nicht
befallenen Beständen deutlich wurde. Andererseits sollten diese Effekte
aber nicht zur weiteren Verengung der Fruchtfolgen anregen.
Die Variabilität des Weizenertrages resultierte zu 51 %
maßgeblich aus dem Umwelteinfluss. Danach folgte die mineralische
N-Düngung mit einem Variationsanteil von 29 %. Demgegenüber variierten
andere pflanzenbauliche Maßnahmen wie Sortenwahl und Saatgutbehandlung
den Kornertrag nicht bzw. nur unbedeutend. Eher trug eine
Fungizidbehandlung im Blatt- und Ährenbereich zur Ertragsvariabilität
bei.
Summary
From 1996 to 1998 ecovariability of winter wheat was investigated on
sandy soils in North-eastern Germany in several field trials and one
on-farm experiment. Seed treatments, sowing dates, seed rates, mineral
nitrogen fertilisation rates, wheat varieties and fungicide
applications were varied to assess effects of variance in yield and
quality formation under different environmental conditions.
In the north-eastern lowland of Germany the field trials were carried
out at four different sites of the experimental station for plant
production at the Faculty for agriculture and horticulture of the
Humboldt-University of Berlin and on a farm in the Oderbruch region.
Parameters investigated were plant growth and development, yield and
yield components, and milling and baking quality. Plot x environment
interactions were analysed.
The variability shown by these parameters was mainly influenced by the
environment (soil and weather conditions) which amounted to 62 %. Among
the investigated environments the loamy sandy soils seemed most
suitable for winter wheat production, due to the higher water
availability and herewith longer compensation of water deficits during
the regional pre-summer dryness. But also on the poorer silty sandy
soils the possibility of wheat production was given if an adapted
production management was used. This point is important, because the
pre-summer dryness is the main reason for limited yields on sandy
soils. In this context the positive soil effects of crop rotations
stabilized yield and quality.
An early sowing date (end of September) supported the winter wheat
development in autumn, with well developed plants starting their growth
in the following growing season. The well-timed sowing date seemed all
the more important, in years with a rainfavoured growing season.
Accordingly the sowing date contributed considerably to the variability
of crop yields especially in interaction with the environment (15,9
%).
With a seed rate of 250 germinable kernels per m² plant populations
were established reaching comparable crop yields as in plots with
higher seed rates (350 or 450 kernels per m2). The lower
plant densities have the benefit of lesser water stress in situations
with unfavourable water supplies in spring. On the other hand
favourable water conditions were compensated by the ears (more kernels
per ear, higher thousand kernel weight). Seed rates of 350 germinable
kernels per m2, recommended for production, are suitable
because an additional safety is integrated in yield formation.
Both varieties, "Borenos" (E) and "Greif" (B), were able to reach crop
yields of 85 dt/ha depending on the environment and the seed
treatments, but "Borenos" had a better baking quality. In contrast to
this "Greif" showed a higher yield potential because of well-balanced
yield components in the rainfavourable year 1998. These good growing
conditions were reflected in a stable coefficient of variance for the
ecovalence. The components of variation of the wheat variety on the
variability of the population density and kernel per ear show, that
yield stability can be achieved with varieties which have well-balanced
yield components and can therefore compensate deficits in determination
and development.
The mineral nitrogen fertilisation should be adapted to the fertility
of the site, but the low amount of soil bound nitrogen supplied in the
trial had less influence on yield formation. Moderate nitrogen
fertilisation rates of 60 kg/ha N had the greatest effect and increased
yields up to 92 %. This treatment always resulted in significant yield
increases (+ 11,2 to + 21,8 dt/ha). In interaction with the environment
further increases in yields were realized if nitrogen fertilisation
rates of 120 kg/ha N were applied. The differences were not
significant, nevertheless these treatments have achieved the necessary
baking quality with baking volumes of 709 ml. The splitting of
fertilisation rates into three applications with a soluble formulation
on the third date could be a good alternative for the more fertile
sandy soils, depending on water supply. In contrast to this on silty
sandy soils the highest crop yield was already realized with a mineral
nitrogen fertilisation of 60 kg/ha N. Disadvantages were due to a well
developed leaf mass and reduced kernels per ear and a reduced thousand
kernel weight resulting in decreased crop yields.
The cropping region, where the field trials were conducted, is
influenced by a half continental climate with typical dry periods,
reducing the infection pressure of fungal diseases on leaves and ears.
Nevertheless disease control on leaves and ears by using threshold
values has achieved a significant higher crop yield as compared to
untreated plot. Seed treatment with Fluquinconazole (Jockey®) to
control take-all (Gaeumannomyces graminis var. tritici) stabilized crop
yields and indicated the possibility of reduced fungicide applications
on leaves and ears. The yield formation resulted in equal crop yields
as compared to the system of conventional seed treatment + fungicide.
This results in an additional effect on non-infected populations. On
the other hand this positive effect should not induce an increase of
cereals in crop rotations.
The variability of wheat yield was mainly caused by the environment
(51 %). The mineral nitrogen fertilisation influenced the variability
by 29 %. In contrast other treatments, like choice of variety and seed
treatment, did not vary crop yields. The fungicide application on
leaves and ears revealed to be important for yield stability.
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