Forschungszweig
Vergleichende Verhaltenskunde der Wirbeltiere
Verantwortlich: PD Dr. Lorenz Gygax
Unter diesem Titel arbeiten wir zu allen Aspekten proximater Mechanismen der Verhaltenskontrolle. Unser Fokus liegt auf Säugetieren, aber Amphibien, Reptilien und Vögel werden zu Vergleichszwecken beigezogen. Der Rahmen für unsere Forschungs-fragen findet sich in L. Gygax (2017) Wanting, liking and welfare: The role of affective states in proximate control of behaviour in vertebrates. Ethology 123, 689-704 (http://dx.doi.org/10.1111/eth.12655).
Die genannte Publikation zeigt, dass große Lücken im Verständnis von „Wollen” („Wanting”, Entstehen und Priorisieren verschiedener Motivationen) und „Mögen” („Liking”, Erreichen von Zielen mit entsprechender Rückkopplung auf die Motivation) vorhanden sind. Zudem wird ein vergleichender onto- und phylogenetischer Ansatz als vielversprechend dargestellt (siehe auch E.S. Paul & M. T. Mendl, Animal emotion: Descriptive and prescriptive definitions and their implications for a comparative perspective, https://doi.org/10.1016/j.applanim.2018.01.008).
Wir planen die folgenden zwei Fragenkomplexe anzugehen:
Wollen („Wanting”, Motivation)
• Experimentelle vergleichende Ethologie an Modellarten
Das Entstehen und Priorisieren von Motivationen wurde bisher meist in hochartifiziellen Wahlversuchen angegangen. Solche Versuche bieten normalerweise nicht mehr als zwei Wahlmöglichkeiten, und diese werden in einer kurzfristigen experimentellen Situation dargeboten. Wir wollen diesen Ansatz dahingehend erweitern, dass Modellarten eine auf kleinem Raum simulierte, jedoch realitätsnahe und experimentell manipulierbare Vielfachwahl kontinuierlich dargeboten wird.
Realitätsnah heißt in diesem Zusammenhang: bedeutungsvoll in Bezug auf die Ökologie der Tierarten. Durch die jeweilige Entscheidung des Tieres kann die aktuell stärkste Motivation erkannt werden.
Das System soll an der Modellart Schwein (ein Omnivore) aufgebaut werden. Als weitere Modellarten sollen in Zukunft Hunde und Katzen (Prädatoren) sowie Schafe und Ziegen (Beutetiere, Herbivore) folgen.
Diese Auswahl wird z.B. auf Vögel oder Kleinsäuger (Ratten) ausgeweitet.
Die anfallenden Daten sollen anhand von modernsten und generalisierten Sequenz-analyse ausgewertet werden (parametrische Überlebenszeitanalysen, bzw. Frailty Modelle).
• Epidemiologischer Ansatz „Vergleichende Ethologie”
Um die Erkenntnisse an den Modellarten in einen größeren Kontext zu stellen, soll ein Datensatz mit Verhaltenssequenzen möglichst vieler Vertebraten-Spezies aufgebaut werden. Damit lässt sich die Struktur der Verhaltensorganisation phylogenetisch breit vergleichen.
• Modellieren von Verhaltensalgorithmen
Aus dem experimentellen und dem epidemiologischen Ansatz zum Themenkreis „Wollen” sollen algorithmische Modelle zur Verhaltenssteuerung abgeleitet werden. Diese Modelle sollen im Rahmen von individuen-basierten Modellen getestet werden.
Mögen („Liking”, Zielerreichung)
In einem zweiten Fragenkomplex geht es darum, experimentelle Tests für „Liking” zu erarbeiten. Es geht dabei darum herauszufinden, was Tiere erreichen möchten, d.h. was für proximate Ziele hinter spezifischen Motivationen stecken.
Das Erreichen solcher Ziele führt zu einer Befriedigung der Motivation (des „Wollens”) und spielt darum im Rückkoppelungsmechanismus der Verhaltenssteuerung eine große Rolle. Dieser Ansatz soll anhand von konkreten Beispielen aus dem Nutz-, Heim- und Zootierbereich angegangen werden.
Aktuelle Projekte
Für die oben beschriebene thematische Neuausrichtung führen wir im Moment verschiedene Pilotprojekte durch.
► siehe auch: https://fis.hu-berlin.de/converis/portal/Person/900636529
Abgeschlossene Projekte
► Aufmerksamkeitsbias als Methode zur Beurteilung des Wohlbefindens von Nutztieren.
► Interplay of mood and stimulus valence on emotional cortical activation.
► Messen von Befindlichkeit bei Schafen unter praxisrelevanten Bedingungen von Stress und Belohnung
►Sozialverhalten in Rindviehherden: Einflüsse des Haltungssystems.