Forschungszweig
Angewandte Ethologie und Tierwohl
Verantwortlich: Prof. Dr. Edna Hillman
Das Leitthema dieses Forschungszweiges liegt in der Untersuchung des Einflusses von Haltungsbedingungen und Managementverfahren auf das Wohlergehen landwirtschaftlicher Nutztiere; immer mehr werden wissenschaftliche Grundlagen zu Tierwohl für politische Entscheidungen benötigt und vom Verbraucher eingefordert. Forschung im Bereich Tierwohl („Animal Welfare”) reicht von der Validierung von Tierwohlindikatoren, einschließlich Tiergesundheit, bis hin zur praktischen Umsetzung von Tierwohlmaßnahmen.
Das Verhaltensrepertoire unserer Nutz- und Haustiere hat sich stammesgeschichtlich als Anpassung an ihre ursprünglichen Lebensräume entwickelt und erfüllte dort bestimmte Funktionen (z.B. Selbsterhalt, Fortpflanzung, Aufzucht der Nachkommen). In der Haltungsumwelt sind viele dieser Verhaltensweisen eigentlich überflüssig, da der Tierhalter für den Selbsterhalt und die Reproduktion der Tiere sorgt. Das Verhalten der Tiere ist unter Haltungsbedingungen also häufig von seiner natürlichen Funktion entkoppelt. Da das Verhalten genetische Grundlagen hat, ist die Motivation, bestimmte Verhaltensweisen auszuüben, jedoch auch unter Haltungsbedingungen weiterhin vorhanden. Oft bietet die Haltung den Tieren nicht die adäquaten Möglichkeiten, diese Verhaltensweisen auch auszuführen. Hinzu kommt, dass viele Haltungsbedingungen die Tiere mit Umweltreizen konfrontieren, für die sie stammesgeschichtlich keine entsprechenden Verhaltensreaktionen entwickelt haben und die auch ihre Lernfähigkeit überfordern. Dies kann zu einer überforderten Anpassungsfähigkeit der Tiere führen, was sich in Verhaltensstörungen, physiologischen Störungen, Krankheit und damit auch in Produktionsverlusten äußern kann.
• Tierwohlindikatoren
Die Beurteilung des Wohlergehens der Tiere ist ein zentraler Aspekt unserer Forschung. Der Fokus liegt auf einer detaillierten Erfassung unterschiedlicher Indikatorvariablen, die es zu validieren gilt.
Neben klassischen Verhaltensbeobachtungen, häufig unter Zuhilfenahme von Videoaufzeichnungen, kommen stress-physiologische, klinische und kognitive Parameter hinzu, aber auch Techniken zur automatisierten Erfassung von tierischem Verhalten.
• Einfluss von Aufzuchtverfahren auf das Tierwohl
Die gängige Aufzucht von Kälbern, d.h. Trennung von der Mutter unmittelbar nach der Geburt gefolgt von künstlicher Aufzucht resultiert in gravierenden Folgen für Tier-gesundheit, Medikamenteneinsatz und in mangelnder Verbraucherakzeptanz.
Die Aufzucht von Kälbern mit Kontakt zum Muttertier kann eine tiergerechtere Alternative darstellen, bedarf aber weiterer wissenschaftlicher Evaluierung. Die Frage der künstlichen Aufzucht stellt sich zunehmend auch für Schweine, da Sauen häufig mehr Ferkel zur Welt bringen als sie säugen können. Auch bei Ferkeln resultiert die künstliche Aufzucht regelmäßig in Verhaltensanomalien. Die Forschung zum Thema „Künstliche oder mutter-gebundene Aufzucht beim Nutztier” werden wir mit unseren Forschungspartnern in der Schweiz, Deutschland und anderen Partnern weiterverfolgen und darüber hinaus andere Tierarten und andere Aspekte der Aufzucht einbeziehen.
Aktuelle Projekte
► siehe: https://fis.hu-berlin.de/converis/portal/detail/Person/900320094?auxfun=&lang=de_DE
Abgeschlossene Projekte
► Einfluss der Melkplatzgröße auf Verhalten und Physiologie während des Melkens
► Reaktionen auf akustische Stimuli in Verhalten und Herzschlag beim Wiederkäuer
► Einfluss von muttergebundener Aufzucht auf Wohlergehen und Gesundheit von Kälbern