Humboldt-Universität zu Berlin - Ressourcenökonomie

Umweltwirkungen der Agrarproduktion und verschiedener Anbausysteme

Der Agrarsektor hat eine Schlüsselfunktion zur Sicherung der Welternährung inne. Zum einen ermöglicht die intensive Agrarproduktion eine stete Zunahme der weltweiten Erntemengen und sorgt für eine steigende Versorgungssicherheit. Zum anderen hat die Agrarwirtschaft, verglichen mit anderen Wirtschaftsbereichen, den größten Einfluss auf die Art der Nutzung natürlicher Ressourcen und damit auf deren Degradierung, aber auch Pflege und Erhaltung. Die intensive Agrarproduktion nutzt eine Vielzahl von Chemikalien, ist energieintensiv und bewirkt häufig eine zunehmende Uniformität, sowohl bei den Produkten, als auch in den Produktionsweisen. Negative Externalitäten wie der Verlust von natürlichen Lebensräumen durch die Ausweitung von Agrarflächen und die damit verbundenen Auswirkungen auf Biodiversität, Bodendegradierung z.B. durch Erosion, Verknappung und Verschmutzung natürlicher Wasserreserven und klimatische Veränderungen stellen nur einige dieser Problembereiche dar. Weltweite Wertschöpfungsketten und die damit verbundenen Umweltbelastungen schaffen neue Herausforderungen auf lokaler und globaler Ebene. Verstärkt werden die Ansprüche an die moderne Agrarproduktion durch globale Entwicklungen wie mancherorts steigende Lebensstandards und zunehmende Bevölkerungszahlen, die zunehmende Nutzung von regenerativen Energien auf der Basis von Biomasse und die damit verbundene Nutzungsrivalität mit der Nahrungsmittel-produktion, aber auch durch weltweite klimatische Veränderungen.

Hieraus ergeben sich vielfältige Fragestellungen für die Institutionelle Ressourcenökonomie, da diese die Systeme von Regeln und die Beziehungen der Akteure untersucht, die die Ressourcennutzung beeinflussen. Geeignete gesellschaftliche Regeln und die hiervon erwartete wirtschaftliche Nutzung natürlicher Ressourcen haben maßgeblichen Einfluss auf die Formen intensiver Agrarproduktion und ihre Umweltfolgen. Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO) in der Landwirtschaft eröffnet eine neue Problemdimension. Kollidierende Problemwahrnehmungen und Interessen beteiligter Akteure treffen aufeinander, so dass sich verstärkt die Frage nach Rivalität oder Koexistenz stellt. Die Europäische Kommission hat Leitlinien zur Koexistenz entwickelt, in denen ein gleichwertiges Nebeneinander der drei landwirtschaftlichen Anbausysteme „konventionell“, „organisch“ und „mit gentechnisch veränderten Pflanzen“ propagiert wird. Landwirten und Verbrauchern soll die Möglichkeit gegeben werden, frei zwischen den Anbausystemen zu wählen.

Koexistenz wird in diesen Leitlinien als ein ökonomisches Konzept verstanden, welches sich nur auf die sicherheitsbewerteten und nach EU-Recht zum Anbau zugelassenen GVO erstreckt. Es existiert ein Toleranzwert der Verunreinigung, der anhand des EU-weit gültigen Schwellenwertes von 0,9% für zufällige und technisch nicht vermeidbare GVO-Spuren definiert wird. Um eine Unterschreitung dieses Schwellenwertes im Sinne des Koexistenzprinzips zu gewährleisten, werden beispielsweise Isolationsabstände zwischen benachbarten Feldern vorgeschrieben. Nach der deutschen Gentechnikpflanzenerzeugungsverordnung (GenTPflEV) müssen zwischen einem Bt-Maisfeld und einem konventionellen Maisfeld Abstände von 150 m eingehalten werden, um den Polleneintrag und somit das Auskreuzungsrisiko des Transgens zu minimieren. Der einzuhaltende Abstand zu mit ökologischem Mais bestellten Flächen ist höher und beträgt 300 m. Diese Regelung impliziert eine höhere Schutzbedürftigkeit des Ökologischen Anbaus vor den ökonomischen Auswirkungen eines ungewollten GVO-Eintrags in das Erntegut.

Es stell sich allerdings die Frage, ob die drei Anbausysteme in der Sichtweise der beteiligten Akteure wirklich in dem Maße koexistenzfähig sind, wie es die Zielvorstellungen der Europäischen Kommission nahelegen? Oder bestehen womöglich rivalisierende Nutzungsformen, für die ein neuer institutioneller Rahmen geschaffen werden muss? Diese Problemdimension wird in dem Forschungsprojekt „Kooperative und hierarchische Erscheinungsformen des institutionellen Wandels“ im Rahmen der DFG-Forschergruppe SiAg – Strukturwandel im Agrarsektor, anhand von ausgewählten Fallstudien in Deutschland untersucht.

 

Diese Problemdimension wurde in  folgenden Forschungsprojekten behandelt:
 
  • INTROekologischer Landbau
    Institutionen und Transaktionskosten im Ökologischen Landbau
  • LABOR
    Arbeitsorganisation und die Einführung von integriertem Pflanzenschutz
  • SIAG
    DFG-Forschungsgruppe: Strukturwandel im Agrarsektor - Teilprojekt 11: Kooperative und hierarchische Erscheinungsformen institutionellen Wandels

Consmüller, Nicola

Strukturwandel im Agrarsektor - Teilprojekt 11: Kooperative und hierarchische Erscheinungsformen institutionellen Wandels (SIAG)

von Bock und Polach, Charlotte (2010)

Die Bedeutung von Sozialkapital und Netzwerken für die saisonale Migration polnischer Arbeitskräfte nach Deutschland. Am Beispiel des brandenburgischen Spargelanbaus. Institutional Change in Agriculture and Natural Resources, Vol. 43. Aachen: Shaker

Irawan, Evi (2009)

The Effect of Farm Labor Organization on the Adoption of Integrated Pest Management (IPM)

Kutschke, Andreas (extern)

Neue Politische Ökonomie der Ermittlung und Beurteilung luftgetragener Emissionen und Immissionen aus Tierhaltungsanlagen in der deutschen Genehmigungsverfahrenspraxis

Hernández, José (2011)

Untersuchung sozio-ökonomischer Bestimmungsgründe für unterschiedliche Pflanzenschutzstrategien. Fallbeispiel: Apfelanbau in der Europischen Union

Beckmann, Volker

Essays in Institutional Analysis. Application to Economic Transition, Technology Adoption and Environmental Governance in Agriculture

Srinivasa Reddy Srigiri

In Pursuit of Effective Governance Structures and Institutions for Abatement of Urban Pollution: Industrial pollution in Hyderabad