Humboldt-Universität zu Berlin - Lehr- und Forschungsgebiet Beratung und Kommunikation

Biodiversitätskonzepte für Planende und Pflegende

Sämtliche Akteure sind sich einig, dass für den Beruf der Landschaftsgärtner:innen der Bereich der Grünflächenpflege (im Vergleich mit „Bau“) generell aufzuwerten sei, da oft unterrepräsentiert aber zunehmend an Bedeutung gewinnend. Dies gilt insbesondere auch für Biodiversität. Allerdings ist das Konzept „Biodiversität“ sehr komplex. Für die berufliche Bildung ist eine Vereinfachung und Fokussierung unabdingbar.

Im Rahmen der Studienprojekte wurde u.a. das Konzept der „Nahrungsnetze“ für Bildungszwecke operationalisiert. Wichtig für die Grünflächenplanung sind insbesondere zwei Aspekte: Wissen über mögliche Zielzustände der Grünflächen sowie Kenntnis von Schlüsselarten - hier bestehen auch die größten Wissensdefizite bei allen Zielgruppen. Im Rahmen der konkreten Planung von Flächen (Ausbildungsmodule, Studienprojekte) entstanden hier Beispiele für pflegeorientierte Planungen, die wiederum Anregungen zur Vorgehensweise bei der biodiversitäts- und pflegeorientierten Grünflächenplanung geben können.

 

Nahrungsnetze

Ein „biodiverses“ Pflegekonzept für Grünflächen verlangt, dass Pflegende und Planende für Biodiversität sensibilisiert, motiviert und befähigt sind, diese in ihrem beruflichen Umfeld wahrzunehmen, aktiv zu gestalten und zu befördern.

Dafür ist es erforderlich, Wissen zum Konzept und Bedeutung von Biodiversität zu vermitteln, welches in der beruflichen Praxis handhabbar ist: Zur Problemlage und zu Lösungsansätzen, zum theoretischen Verständnis bis hin zu konkreten Maßnahmen in Planung und Pflege – immer mit Blick auf den Artenreichtum in Grünflächen.

„Biodiversität“ in sich mehrdeutig und damit komplex. „Biodiversität“ umfasst dabei - allgemein gesprochen- drei Dimensionen:

• Biodiversität für unterschiedliche Ökosysteme;
• Vielzahl der Arten (in einem Ökosystem);
• Genetische Vielfalt innerhalb dieser Arten.

 

Ein „handhabbares“ Konzept von Biodiversität und deren praktischer Förderung in einer Grünfläche erfordert relativ einfach zu erfassende Indikatoren und es erfordert „Wissen um mögliche Zielzustände“.

Das Konzept der Nahrungsnetze kann diesen Anspruch erfüllen. Ein Nahrungsnetz beschreibt Beziehungen zwischen verschiedenen Arten innerhalb eines Ökosystems. Jede Art hat hierbei eine oder auch mehrere wichtige Rollen/Funktionen und trägt so zum Gleichgewicht des Ökosystems bei – dennoch ist nicht jede einzelne Art relevant für ein funktionales Nahrungsnetz.

Eine prominente Formel, die die Gestalt von Wechselbeziehungen in der Natur und in Nahrungsnetzen beschreibt, ist „Fressen und gefressen werden!“. Nahrungsnetze bestehen aus Produzenten, Konsumenten und Destruenten (Zersetzer/Mineralisierer). Gemeint sind unterschiedliche Aufgaben, die in einem gesunden Lebensraum übernommen werden (müssen).

Bedeutend zur Förderung von Nahrungsnetzen ist die Bestimmung von sogenannten Zeigerarten, die Rückschlüsse auf Nahrungsnetze / Nahrungsketten bzw. das vorhandene Habitat erlauben und dazu dienen, eine entsprechende (Pflege-) Planung abzuleiten.

Wildbienen, Käfer oder Tag- und Nachtfalter mit diversen Nisthabitaten (Wiese, Sand, Totholz…) können ggf. als solche Zeiger dienen. Die Förderung von Wildbienen bzw. deren Habitaten begünstigt auch andere Insektenarten und kann somit vielfältig zur Erhöhung der biologischen Vielfalt beitragen.

 

Böttcher, Justus, 2023 Nahrungsnetz.png

Graphik: Justus Böttcher

 

Ein Beispiel für ein einfaches Nahrungsnetz: Eine Wildbirne befindet sich als Primärproduzent zentral in der Fläche und wird von Wildbienen bestäubt. Die Bienen wiederum sind Nahrungsgrundlage für diverse Mäuse wie bspw. Spitzmäuse, welche wiederum von Greifvögeln oder Wieseln gefressen werden. Ausscheidungen all dieser Arten werden von Destruenten zersetzt, ebenso wie ihre Kadaver. Durch Destruenten zersetzt, führen sie so dem Boden wieder Nährstoffe zu, welche der Wildbirne erneut als Dünger dienen.

 

 

Förderung von Nahrungsnetzen durch Schaffen geeigneter Biotopelemente und Pflegemaßnahmen

 

Die Entwicklung von biodiversitätsfördernden Biotopelementen erfordert zunächst einen gewissen Einsatz von Ressourcen und damit Kosten. Ziel ist es, den Pflegeaufwand später gering zu halten.

 

Trockenmauern werden ohne Mörtel aufgeschichtet und sollten an einem sonnigen Standort aufgebaut werden.

 

Reisig- und Holzhaufen bieten verschiedenen Vogelarten Schutz vor Fressfeinden. Ein Reisigwall kann gleichzeitig noch einen begrenzenden Effekt haben, indem er Teilflächen für Mensch und Hund unzugänglicher macht. Für Tiere kann er auch extra zur Vernetzung von Biotopen angelegt werden. Das verrottende Holz gibt zusätzlich kontinuierlich Nährstoffe an den Boden ab.

 

Steinhaufen sind wie Trockenmauern für verschiedenen wechselwarme Tiere und Kleinsäuger interessant. Wird der Steinhaufen eher im Schatten aufgebaut und besitzt ein feuchteres Mikroklima, werden sich eher Amphibien ansiedeln, steht er dagegen sonnig, Reptilien. Idealerweise steht er im Halbschatten und windgeschützt, um Durchzug in den Gängen zu vermeiden.

 

Hecken sind Lebensraum für Insekten, Spinnen, Vögel und kleine Säuger. Sie sind besonders für Vögel wichtig, da sie Brutraum im Sommer und Nahrungsgrundlage im Winter sind. Weiterhin bieten sie Schutz vor Greifvögeln und können auch biotop-verbindend wirken.

 

Nisthilfen gibt es für verschiedenste Tierarten. „Insekten-Hotels“ lassen sich zum Beispiel kreativ aus vielen verschiedenen Materialien gestalten. Es ist wichtig, dass auch wirklich viele verschiedene Materialien zum Einsatz kommen, da die verschiedenen Insekten unterschiedliche Ansprüche haben. Von Hartholz mit verschieden großen (2-12mm) und tiefen (5-10 cm) Bohrungen, über Tannenzapfen und Stroh, bis hin zu Röhricht-, Reisig- und Lehmkompartimenten, kann vieles eingesetzt werden. Für alle Arten von Nisthilfen sollten natürliche und unbehandelte Materialien verwendet werden.

 

Offene Bodenstellen/ Rohbodenstellen können auf geeigneten Flächen angelegt werden. Vögel nutzen sie bei trockenen, sandigen Stellen zur Gefiederpflege, durch Sandbaden. Indem Mulden ab und zu mit Wasser befüllt werden, entstehen bei entsprechendem Untergrund Lehmpfützen, welche von Schwalben zum Nestbau genutzt und benötigt werden. Dies macht nur in der Nähe von großen Fahrzeug-Schuppen oder ähnlichem Sinn und kann mit Nisthilfen für Schwalben kombiniert werden.