Humboldt-Universität zu Berlin - Lehr- und Forschungsgebiet Beratung und Kommunikation

Konsequenzen für die Planung der Module

 

Die Zielgruppenanalyse beinhaltet inhaltliche und didaktische Aspekte:

  • Wer sind die Zielgruppen für Bildungsmaßnahmen im Projekt?
  • Was und welche Inhalte sollen sich diese aneignen mit Blick auf pflegeorientierte Grünflächenplanung für mehr Biodiversität?
  • Was sind Schwerpunktthemen unseres Projektes (was wird an anderer Stelle vermittelt?)
  • Was sind die methodisch-didaktischen Grundsätze?

 

Wir möchten auf folgende Aspekte vertieft eingehen:

 

Diskussion im Bürgerpark

 

Allgemeine Ziele im Bildungsbereich

Grundsätzlich ist für den Beruf der Landschaftsgärtner:innen der Bereich der Grünflächenpflege (im Vergleich mit „Bau“) aufzuwerten, da dieser in der Berufspraxis sowie in der Bildung oft unterrepräsentiert ist, aber zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dies gilt insbesondere auch für Biodiversität.

Generell sollten Planung & Pflege stärker Hand in Hand gehen in Richtung einer
pflegeorientierten Planung. Dadurch kann sichergestellt werden, dass später die geplanten
Maßnahmen auch umgesetzt werden.
Das Ziel sollte die Befähigung der Lernenden zur Gestaltung bzw. Pflege naturnaher Flächen mit mehr Biodiversität (und reduziertem Dünger-und Pestizidbedarf) und reduziertem Pflegeaufwand, sein.
Lernende sollen daher befähigt werden, Biodiversität vor Ort zu erkennen, gestalten und befördern. Für die Planung konkreter Teilflächen benötigen sie hierbei Kenntnis über „gut entwickelte Parkökosysteme“ und der dort vorhandenen und im Verlauf eines Jahres beobachtbaren "Schlüssel-" Arten, in anderen Worten,- Wissen über mögliche Zielzustände.
Allerdings ist das Konzept Biodiversität sehr komplex und es wurde deutlich, dass für Bildungszwecke ein „handhabbares“ Konzept von Biodiversität erforderlich ist, mit relativ einfach zu erfassenden Indikatoren.
Biodiversität selbst muss besser erläutert werden. Für die berufliche Bildung ist eine Vereinfachung und Fokussierung unabdingbar. Das Verständnis für biologische Vielfalt muss insgesamt dahingehend erweitert werden, dass neben der Quantität auch die Qualität eine große Rolle spielt (viele Arten sind nicht zwangsläufig ein Indikator für ein gesundes Ökosystem).
Wichtig ist eine Sensibilisierung für die (negativen) Auswirkungen einer Intensivpflege auf die Umwelt/ biologische Vielfalt.
Das Konzept der Biodiversität sollte um Begrifflichkeiten wie Nahrungsnetze/Nahrungsketten, 
Lebensstätten ergänzt werden, um auf die Relevanz der Beziehungen der Arten untereinander 
hinzuweisen. Letztendlich sollen die Lernenden Nahrungsnetze/ Nahrungsketten für die verschiedenen Standorte identifizieren und beschreiben können.
Neben dem allgemeinen Erkennen von biologischer Vielfalt auf einer bestimmten Fläche sollte das Verständnis dafür geschaffen werden, wie globale biologische Vielfalt und lokale Maßnahmen zusammenhängen.
In die Aus- und Fortbildung sollten konkrete, praktische Elemente eingeführt werden.
Hier sollte auch mit guten Beispielen in der Praxis gearbeitet werden. Bedeutende Kategorien sind
z.B. Schlüsselarten, unterstützende Strukturen, Zeiträume & Termine (z.B. für Mahd) und
insbesondere Faustregeln, die einfach in der Praxis angewendet werden können.


Spezielle Bedarfe

Sensibilisierung für die Themen biodiversitätsförderndes/klimaangepasstes Planen und
Pflegen gehört in die gesamte praktische Ausbildung und muss in die Lehrpläne integriert sein.

Wissenslücken haben auch die Multiplikatoren/Lehrkräfte, daher sollte das Thema Gegenstand
von Fortbildungen sein.
Insgesamt sollte im Rahmen aller Module viel praktisches Arbeiten in der Fläche ermöglicht werden. (Hier wurde ausdrücklich auch die Vegetationstechnik genannt).
 
Ziel ist es, die Artenkenntnis zu erhöhen, indem z.B. Pflanzenlisten und -steckbriefe erstellt und genutzt werden. Das „Handbuch Gute Pflege der Senatsverwaltung Umwelt, Mobilität und Verbraucher ist vor Ort in Berlin ein wichtiger Baustein der Grünflächenpflege in Bildung und Praxis.
Dennoch bietet es (noch) nicht den nötigen Detailgrad für die Praxis. Zudem ist das Handbuch nicht überall bekannt und in Anwendung, und enthält zu wenig Inhalte zum Thema Biodiversität. Eine Überarbeitung (Aktualisierung und Ergänzung nach Evaluierung der abgeschlossenen Projekte
in den Bezirken) ist derzeit in Planung.
Generell ist das Thema Pflege auch in der universitären Ausbildung unterrepräsentiert. An der
Berliner Hochschule für Technik (BHT) werden jedoch z.B. im Seminar Umweltplanung u.a.
Kartierungen und Vorschläge für eine geänderte Pflege erarbeitet sowie an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) ein Studienprojekt im Bachelor für Agrar- und Gartenbauwissenschaften durchgeführt.

Kommunikation nach innen (welches Verständnis von Ästhetik haben wir) und Außen (wie kommuniziere ich ein neues Verständnis von Ästhetik auch an die Bürger*innen) ist wichtig. Der fachliche Austausch sollte insgesamt auf verschiedenen Ebenen gesteigert werden (analog und digital), zwischen Behörden, Zivilgesellschaft und auch Bildungseinrichtungen.
 

Grundsätze

Generell sollte es bei der Planung und Pflege um eine ökologische Aufwertung der Flächen gehen. Auch
der Klimawandel muss berücksichtigt werden, denn viele Flächen (Rasen) sind verstärkt Sonne und Hitze ausgesetzt und Bäume weisen vermehrt Schädlingsbefall und Trockenschäden auf. Dazu gehört auch die Berücksichtigung des Urbanisierungsgrads, der Temperaturen, ggf. dem Anschluss an offene Landschaften und weitere. Zudem sollte man Maßnahmen einbeziehen, um Regenwasser zu halten (Retention).
Zu diskutieren ist auch das Thema Wirtschaftlichkeit versus Pflegeziele/ -ansprüche. Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit müssen auch bei der Flächenplanung bzw. Pflegeplanung eine Rolle spielen:
Was kann in Eigenleistung erbracht werden, was muss ggf. vergeben werden?
Für einige Pflegemaßnahmen sind besondere Werkzeuge/Geräte vonnöten, sodass diese ggf. nur von professionellen Firmen umgesetzt werden können. Blühflächen benötigen z.B. professionelle Anlage, Vorbereitung des Bodens, da die Saat nicht direkt in die Wiese gesät werden kann. Dies muss auch alle paar Jahre wiederholt werden (je nach Pflege) und muss einkalkuliert werden.
In der Aus- und Weiterbildung (bereits ab dem 1. Lehrjahr) sollte eine Diskussion um Ästhetik geführt werden. Als „ästhetische Gestaltung“ gelten (leider) vielfach immer noch Hecken mit Formschnitt, pflegeintensive Stauden und Gehölze, klassische „aufgeräumte“ Flächen. Als einfach umzusetzende praktische Maßnahmen wurden z.B. freiwachsende Hecken statt Formschnitthecken oder Erhöhung des Baumbestandes Streuobstwiesen genannt.
Eine allgemeine Empfehlung ist, mit dem Potential vor Ort zu arbeiten, auch aus Gründen der
Nachhaltigkeit. Die Planung der Flächen sollte sich immer eng an der aktuellen Beschaffenheit und dem Potential des Standortes orientieren; empfohlen wird, so wenig einzugreifen wie möglich. Das umfasst z.B. auch, nicht notwendigerweise, Mutterboden zuzufügen, wenn das Ziel ist, klimaangepasste Arten der Halb- und Trockenrasen zu fördern.
Nach Prüfung des vorhandenen Potentials sollte, wenn erforderlich (und vorhanden), regionales Saatgut ausgebracht werden. Das regionales Saatgut häufig nicht ausreichend vorhanden ist, stellt eine weitere Herausforderung dar um biodiversitätsfördernde Pflegemaßnahmen durchführen zu können.
In diesem Zusammenhang wurde auch das Thema der invasiven Arten (Neophyten) versus heimische Arten diskutiert. Gewünscht wurde eine gesonderte Debatte zu diesem Themenfeld. Hier sollten wissenschaftliche Erkenntnisse zur Bewertung herangezogen werden.
Studien zeigten, dass das Miteinander von heimischen und fremden Sorten (=Pollenlieferanten) etwa das Artenspektrum von Wildbienen erweitern kann. Untersucht werden sollte, welche Funktion nicht-heimische
Arten im Ökosystem spielen (genutzt/ungenutzt, besiedelt/nicht besiedelt). Als Beispiel dient die Stockrose: eigentlich im Mittelmeer heimisch (fremdländische Art), wird sie hier als Zierpflanze genutzt und ist v.a. durch die Folgen des Klimawandels jetzt hier „heimisch“ und dient einer Käferart als Nahrung (→ Damit aktiver Teil eines Nahrungsnetzes).
 
Ein weiteres Thema ist die Sensibilisierung der Bevölkerung (Stichworte Kommunikation/PR) auch im Zusammenhang mit Fragen der „neuen“ Ästhetik.
Das Problem bei öffentlichen Grünflächen ist es, Nutzung und Schonung von Flächen unter einen Hut zu bekommen.
Die „Broken-Windows-Theorie“ besagt: je weniger „gepflegt“ eine Fläche dem Laien (in diesem Fall Nutzer der Flächen, Anwohner*innen, allgemeine Öffentlichkeit usw.) erscheint, desto weniger pfleglich wird sie behandelt, was sich in Vermüllen, vermehrtem Hundekot usw. zeigt; hier wurde das Negativbeispiel des Parks am Nordbahnhof genannt).
Mögliche Maßnahmen sind hier:
  • Fläche absperren (führt zu Verkleinerung der Erholungsfläche)
  • Fläche entsprechend ausweisen und beschildern (→ Kommunikation)
  • Sauberkeitsstreifen um die Wildwiesenflächen
 

Schlüsselarten

Schlüsselarten dienen dazu, Rückschlüsse auf Nahrungsnetze / Nahrungsketten bzw. das vorhandene Habitat zu ziehen. Diese Information dient dazu, eine entsprechende (Pflege-)Planung abzuleiten. Wildbienen, Käfer oder Tag- und Nachtfalter mit diversen Nisthabitaten (Wiese, Sand, Totholz...) können ggf. als Schlüsselart dienen.
Die Förderung von Wildbienen bzw. deren Habitaten begünstigt auch andere Insektenarten und kann somit vielfältig zur Erhöhung der biologischen Vielfalt beitragen. Möglicherweise ist es pädagogisch, aber auch hinsichtlich der Kommunikation nach außen sinnvoll, auf „Sympathiearten“ zu fokussieren.