Humboldt-Universität zu Berlin - Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften

Geschichte

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Dass Albrecht Daniel Thaer - Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin kann auf eine 200jährige Tradition zurückblicken.

Dass das im Jahre 1806 im märkischen Dorf Möglin in der Nähe des Oderbruchs eröffnete Landwirtschaftliche Lehrinstitut - ab 1819 "Königliche Preußische Akademische Lehranstalt des Landbaus" - als direkter Vorgänger der akademischen Landwirtschaftsausbildung in Berlin angesehen werden kann, ist in erster Linie seinem Begründer, dem damals bedeutendsten deutschen Agrarwissenschaftler, Albrecht Daniel THAER (1752-1828), zu verdanken, der an der 1810 gegründeten Berliner Universität von 1810 bis 1819 als außerordentlicher Professor landwirtschaftliche Vorlesungen hielt. Der zuvor in Celle tätige Arzt und Landwirt gewann und publizierte während seiner Lehr- und Forschungstätigkeit in Möglin und Berlin wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Geschichte der gerade entstehenden Landwirtschaftswissenschaften maßgeblich mitbestimmten. Er veröffentlichte sie in etwa 450 Büchern und Schriften. Das in Möglin durchgeführte Lehrprogramm mit den Grundlagenfächern Chemie, Physik, Geologie, Geographie, Botanik, Zoologie und Mathematik, der "Gewerbslehre" (der heutigen Agrarökonomie entsprechend), der "Agronomie" (heute Bodenkunde, Düngerlehre, Acker- und Pflanzenbau) und der Tierzucht einschließlich Tierernährung und Tierhaltung sowie zahlreichen Nebenfächern entsprach in seinen Grundzügen durchaus heutigen Vorstellungen.

Nach dem altersbedingten Ausscheiden THAERs aus der Universität im Jahre 1819 blieb das Extraordinariat für Landwirtschaft zunächst unbesetzt, wurde dann ab 1827 von J. E. STOERIG und ab 1855 von C. SCHULZ-FLEETH wahrgenommen, bis schließlich, einem allgemeinen Trend der Zeit folgend, im Jahre 1859 auf besondere Initiative von H. v. NATHUSIUS und A. ORTH in Verbindung mit der Berliner Universität ein selbständiges landwirtschaftliches Lehrinstitut gegründet wurde.

Mit dem Wintersemester 1880/81 konnte der Vorlesungsbetrieb an der neu gegründeten Landwirtschaftlichen Hochschule aufgenommen werden. Am 14. Februar 1881 wurde ihr der Titel "Königliche Landwirtschaftliche Hochschule Berlin" verliehen. Es folgte eine Zeit des Aufschwungs - steigende Studentenzahlen, moderne Studienpläne, neue Fachrichtungen, viel beachtete wissenschaftliche Ergebnisse auf verschiedenen Gebieten, Erlangung des Promotionsrechtes -, die jedoch jäh unterbrochen wurde durch den Ersten Weltkrieg und seine auch für die Hochschule schlimmen Folgen. Verbunden ist diese insgesamt erfolgreiche Periode in der Entwicklung der Landwirtschaftlichen Hochschule mit berühmten Wissenschaftlerpersönlichkeiten, so dem Genetiker E. BAUR, dem Pflanzenzüchter K. von RÜMKER, dem Chemiker und Nobelpreisträger E. BUCHNER, den Tierzüchtern H. G. SETTEGAST und C. KRONACHER sowie dem Fischereiwissenschaftler P. SCHIEMENZ.

Da die Gebäude in der Invalidenstraße 42 trotz des Zukaufs von Grundstücken in der Nähe nicht mehr ausreichten, siedelten seit Anfang der 20er bis Anfang der 30er Jahre von den 27 Instituten 13 nach Berlin-Dahlem in das Gelände am Albrecht-Thaer-Weg und der Lentzeallee um. Mit der Einrichtung einer Abteilung Gartenbau an der Landwirtschaftlichen Hochschule im Jahre 1929 entstand der erste universitäre gartenbauliche Studiengang in Deutschland.

Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 waren auch die Landbauwissenschaften in Berlin durch die Gleichschaltung von Lehre und Forschung in die politischen und ökonomischen Ziele des Naziregimes gekennzeichnet. Aus politischen oder rassischen Gründen wurden anerkannte Hochschullehrer wie L. ARMBRUSTER, F. BAADE, K. BRANDT, A. HANAU, C. NEUBERG entlassen. Ende 1934 wurden die Landwirtschaftliche und die Tierärztliche Hochschule in Berlin als Landwirtschaftlich-Tierärztliche Fakultät an die Berliner Universität angegliedert. In dieser Form existierte sie jedoch nur drei Jahre und teilte sich 1937 in eine landwirtschaftliche und eine veterinärmedizinische Fakultät. In den Jahren 1941-42 waren Mitarbeiter der Fakultät unter Regie von K. MEYER am Entstehen von Teilen des berüchtigten "Generalplanes Ost" beteiligt, der die Vertreibung und den Tod von Millionen Menschen der osteuropäischen Völker vorsah.
Seit mehreren Jahren ist eine Projektgruppe mit der Erforschung dieser unheilvollen Tradition befaßt.

Am Ende des Zweiten Weltkrieges stand auch die Landwirtschaftliche Fakultät vor einem Trümmerhaufen. Große Teile der Fakultätsgebäude, insbesondere in der Invalidenstraße, waren zerstört, wertvolle Tierbestände vernichtet, zahlreiche Wissenschaftler und Studenten hatten das nationalsozialistische Kriegsabenteuer mit dem Leben bezahlen müssen, etwa 80 Prozent der wertvollen Bücher- und Zeitschriftenbestände der landwirtschaftlichen Bibliothek fielen nach einem Bombentreffer den Flammen zum Opfer.

Doch schon im Juli 1945 bestätigte der Rat der Fakultät die ersten sieben Professoren in ihren Ämtern, u. a. den Tierphysiologen E. MANGOLD, den Zuckertechnologen O. SPRENGLER, den Pflanzenzüchter K. OPITZ, den Landmaschinentechniker G. FISCHER, etwas später weitere, wie E. A. MITSCHERLICH, und im Jahre 1946 konnte der Vorlesungsbetrieb wiedereröffnet werden. 1947 erweiterte die Fakultät ihren Namen in "Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät"; die Berliner Universität nannte sich ab dem 08. Februar 1949 "Humboldt-Universität zu Berlin" (HU).
1951/52 wurde auf Initiative von H. H. WUNDSCH die Fachrichtung Fischwirtschaft begründet.

Da der Hauptteil der Fakultätsgebäude im Osten Berlins lag, unterstand die Fakultät der sowjetischen Militäradministration. Andererseits waren gerade diese Einrichtungen besonders stark zerstört, so dass der Lehrbetrieb großenteils nach Dahlem verlagert wurde. Die Situation verkomplizierte sich noch, als mit Wirkung vom 12. Juni 1949 die in den Westsektoren liegenden Institute der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät dem dortigen Senat unterstellt wurden und zwei Jahre später die Leiter dieser im Westteil der Stadt befindlichen Institute beschlossen, einen von der Humboldt-Universität unabhängigen Vorlesungs- und Forschungsbetrieb durchzuführen. Auf Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 06. März 1951 wurden diese Institute zum Hochschulinstitut für Landbau zusammengeschlossen und am 09. April desselben Jahres als Fakultät für Landbau der Technischen Universität (TU) eingefügt.

Damit setzte eine fast 40jährige getrennte Entwicklung der universitären landwirtschaftlichen Bildungsstätten in Ost- und Westberlin ein. Obwohl es in dieser Zeit bemerkenswerte Leistungen in der universitären agrarwissenschaftlichen Forschung und Lehre gab, konnte nicht an die bedeutenden Traditionen der Landwirtschaftlichen Hochschule angeknüpft werden. Dies hatte verschiedene Ursachen.

An der Humboldt-Universität wurden Lehre und Forschung immer mehr den politischen und ökonomischen Zielen der SED untergeordnet. Das kam besonders in der Aufspaltung der Fakultät in die Sektionen Pflanzenproduktion, Tierproduktion und Veterinärmedizin sowie Gartenbau Ende der 60er Jahre zum Ausdruck. Diese Aufspaltung orientierte sich an der Trennung von Tier- und Pflanzenproduktion in der landwirtschaftlichen Praxis. Die Ausbildung von Leitern für die landwirtschaftliche und gärtnerische Praxis wurde immer mehr Schwerpunkt der Bildungsarbeit der Fakultät bzw. der Sektionen. Der Ausbau der Grundlagenforschung erfolgte dagegen bevorzugt an der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften (erst DAL, später AdL).
Trotz ungünstiger Rahmenbedingungen haben die Angehörigen der Fakultät mit Fleiß und hoher Fachkompetenz Lehre und Forschung so entwickelt, dass sie auch international hohe Anerkennung erreichten.

Die Fakultät für Landbau an der TU sah sich seit dem Mauerbau 1961 vor allem mit den Problemen sinkender Studentenzahlen und des fehlenden agrarischen Hinterlandes konfrontiert. Ende der 60er Jahre - ausgelöst durch Studentenunruhen - fanden an der TU tiefgreifende Reformen statt. Die Fakultät für Landbau wurde in die drei Fachbereiche (FB) "Lebensmitteltechnologie und Biotechnologie" (FB 13), "Landschaftsentwicklung" (FB 14) und "Internationale Agrarentwicklung" (FB 15) aufgeteilt. Letzterer verfolgte insbesondere das Ziel, landwirtschaftliche Fachkräfte für den Einsatz in Entwicklungsländern auszubilden und agrarwissenschaftliche Fragen tropischer und subtropischer Regionen zu bearbeiten. Aber auch diese neue Ausrichtung konnte nicht verhindern, dass ab 1974 auf Empfehlung des Wissenschaftsrates Immatrikulationen für den FB 15 vorläufig eingestellt werden mussten. Erst 1978 durften wieder Studenten für das Hauptstudium "Internationale Agrarentwicklung" und 1985 auch für das Grundstudium "Agrarwissenschaften" aufgenommen werden.

Mit der politischen Wende in der DDR 1989 und der am 3. Oktober 1990 vollzogenen Wiedervereinigung Deutschlands ergab sich die Möglichkeit, in Berlin wieder eine gemeinsame agrarwissenschaftliche Fakultät einzurichten. Schon im Frühjahr 1990 hatten Mitarbeiter und Studenten der HU in freien demokratischen Wahlen ihre akademischen Selbstverwaltungsgremien gewählt, und zum 1. September wurden die agrarwissenschaftlichen Sektionen aufgelöst und durch drei Fakultäten, "Landwirtschaft und Gartenbau", "Nahrungsgüterwirtschaft und Lebensmitteltechnologie" sowie "Veterinärmedizin", ersetzt.
Im Jahre 1991 evaluierten Mitglieder des Wissenschaftsrates die agrarwissenschaftlichen Einrichtungen an den drei Berliner Universitäten und gaben Empfehlungen für deren Weiterentwicklung. Entsprechend diesem Vorschlag wurde mit dem 01. Oktober 1992 der gemeinsame Fachbereich für Agrar- und Gartenbauwissenschaften an der HU etabliert.
Den schwierigen Prozess der Zusammenführung des FB "Internationale Agrarentwicklung" und der Fakultät für Landwirtschaft und Gartenbau leitete bis Ende März 1994 ein Gründungskomitee mit E. Reisch (Hohenheim) als Gründungsdekan. Dieses Gremium entwarf das Konzept für die Struktur der neuen Fakultät, seit dem 8. Dezember 1993 wieder "Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät", mit insgesamt 40 Professuren in zunächst sieben Instituten. Die unter Leitung des Gründungskomitees begonnene Konsolidierung der Fakultät konnte ab dem 01. April 1994 unter der Regie des neu gewählten Fakultätsrates erfolgreich fortgesetzt werden.
Ausdruck des wachsenden studentischen Interesses an den hier gebotenen vielfältigen Studiengängen und Studienrichtungen waren steigende Immatrikulationszahlen, die der Fakultät einen Spitzenplatz in der Bundesrepublik einbrachten.

Dieser insgesamt erfolgreiche Aufstieg der Fakultät während des Fusionsprozesses setzte sich bis in das Jahr 1996 fort, als die Berliner Senatsverwaltung ankündigte, aus Kostengründen die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät schließen zu wollen. Dies konnte - nicht zuletzt durch den massiven Protest von Studenten, Mitarbeitern, Vertretern nationaler und internationaler landwirtschaftlicher Gremien und Landwirten - verhindert werden. Die Fakultät reagierte mit der Neukonzeption ihrer Struktur mit nur noch vier Instituten. Einige Fachgebiete können künftig nicht weitergeführt werden.
Unter diesen Umständen ist es schwer, das bewährte umfangreiche Profil an Studien- und Forschungsleistungen mit den vielfältigen Auswahl- und Kombinationsmöglichkeiten für die Studierenden aufrechtzuerhalten. Deshalb wurde auch das Studium zum WS 2000/01 völlig neu strukturiert.



Ausgehend von den seit 1997 positiven Erfahrungen mit dem DAAD-geförderten englischsprachigen Master-Studiengang "International Agricultural Sciences" wurden die beiden Bachelor-Studiengänge

  • Agrarwissenschaften und
  • Gartenbauwissenschaften

 

sowie die 7 Master-Studiengänge

  • Gartenbauwissenschaften
  • Agrarökonomie
  • Pflanzenbauwissenschaften
  • Nutztierwissenschaften
  • Internationale Agrarwissenschaften (deutsch und englisch)
  • Nachhaltige Landnutzung
  • Fishery Science and Aquaculture / Fischwirtschaft und Gewässerbewirtschaftung (englisch und deutsch)

 

eingerichtet, die derzeit als erste agrarwissenschaftliche Studiengänge in Deutschland akkreditiert werden.

Heute verfügt die LGF über Beziehungen zu rund 40 Partneruniversitäten in aller Welt.
Außerdem besteht eine enge Kooperation mit 6 Instituten der "Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V." (bis 1998 - "Blaue Liste").

 

In den zurückliegenden Jahren ist es der LGF gelungen, sich in der Berliner Wissenschaftslandschaft zu behaupten. Umfassende Evaluierungen durch den Wissenschaftsrat und die HIS-GmbH Hannover haben dazu geführt, dass die Fakultät sich neu strukturierte, die vorhandenen Potentiale bündelte und so immer besser den Anforderungen aus der wachsenden Internationalisierung und Ökologisierung der Agrarwissenschaften gerecht wird.
Die LGF sieht sich in der Lage, auch im neuen Jahrtausend Spitzenleistungen in Lehre und Forschung zu vollbringen, wenn ihr künftig mehr Planungssicherheit zugestanden wird und die vorhandenen Standorte schrittweise rekonstruiert und modernisiert werden können.



Quelle:
"Die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin", Berlin 1998,
Broschüre, erarbeitet vom Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit der Fakultät.
Überarbeitung und Ergänzung durch P.Christodulow und U.Kummerow, April 2001