Nachruf auf Professor Dr. Dr. h.c. Helmut Bochow (1931 – 2025)
Am 13. Oktober diesen Jahres verstarb im 95. Lebensjahr unser verehrter emeritierter Professor Helmut Bochow nach einem langen von vielen Veränderungen begleiteten und den Landwirtschaftswissenschaften gewidmeten Leben.
Prof. Bochow wurde am 2. Januar 1931 in Eberswalde als 6. Kind einer evangelischen Pfarrersfamilie geboren. Nach Absolvierung der Grundschule besuchte er ab 1941 das Humanistische Gymnasium in Eberswalde. Ende 1944 wurde die Schule auf Grund der Kriegsereignisse geschlossen, sodass er nur einen Notabschluss der Schulbildung erreichen konnte. Um die Familie zu unterstützen begann er Anfang 1945 in der Landwirtschaft zu arbeiten und dann auf Anraten des Vaters im August eine Landwirtschaftslehre, die er 1949 erfolgreich abschloss. Diese Jahre prägten seine enge Bindung an die Erfordernisse der Landwirtschaft und begründeten seine stets praxisnahe Herangehensweise in der späteren wissenschaftlichen Arbeit. Da ihm das Abitur fehlte, begann er 1949 am Thüneninstitut in Rostock eine Ausbildung zum staatlich geprüften Landwirt, mit dessen Abschluss er die Hochschulreife erlangte. Von 1951 bis 1954 studierte er dann Agrarwissenschaften an der Universität Rostock. In seiner Diplomarbeit beschäftigte er sich mit der Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans) an der Kartoffel, um über exakte Kenntnisse der Biologie des Erregers bessere und effektivere Bekämpfungstermine zu erarbeiten. An die Diplomzeit schloss sich dann eine 3 jährige Assistentur am gleichen Institut an, während der er schon maßgeblich mit dem Erreger der Kohlhernie (Plasmodiophora brassicae) an wichtigen Kohlarten arbeitete. Nach der Promotion im Jahr 1957 konnte er am Institut weiter an diesem Thema arbeiten. In dieser Zeit begann er sich schon intensiv mit der biologischen Bekämpfung von Krankheitserregern zu beschäftigen, was er dann auch in seinem weiteren wissenschaftlichen Tätigkeitsfeld bevorzugte. Damals erregten seine publizierten Ergebnisse schon das Interesse anderer wissenschaftlicher Einrichtungen, sodass er 1961 zu einem Studienaufenthalt in Cambridge, Oxford und Rothampsted gebeten wurde. Mit der Habilitation auf dem Gebiet der Kohlhernie erreichte er die Voraussetzung zur Berufung als Institutsdirektor an der Humboldt Universität zu Berlin. Das zum 01. 09. 1964 dort neu gegründete Institut für Pflanzenschutz an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der HU bestritt die Ausbildung der Studenten sowohl der Landwirtschaft als auch des Gartenbaus. Erst 1966 konnten er und die 6 Mitarbeiter ihr eigenes Domizil in Berlin - Malchow beziehen, von dem aus unter seiner Leitung bis ins Jahr 2000 die Lehr- und Forschungstätigkeit auf dem Gebiet des integrierten und biologischen Pflanzenschutzes erfolgte.
Während seiner ganzen Tätigkeit als Hochschullehrer und Institutsdirektor in Berlin war ihm eine praxisbezogene Forschung besonders wichtig. Von der speziellen Kenntnis der Schaderreger her sollte sich eine Bekämpfungsrichtlinie ergeben, die sowohl für den Produzenten effektiv, als auch für die Natur verträglich gestaltet werden kann. Was bereits mit seiner intensiven Forschung bei der Kohlhernie begann, setzte sich in seiner akribischen Arbeit an den bodenbürtigen Antagonisten von Pathogenen fort. Auf diesem Gebiet hat er nachhaltige und international anerkannte Arbeit geleistet. Mit einem wachsenden Verständnis der Zusammenhänge und der immer besser werdenden technischen Ausstattung konnten er und seine Mitarbeiter fundamentale Erkenntnisse zu den engen Wechselwirkungen im Pflanzen- Erreger-Antagonist -Gefüge gewinnen. In zahlreichen Publikationen und Vorträgen informierte er die Fachwelt von den Ergebnissen. Mit seinem Steckenpferd Bacillus subtilis war er Wegbereiter für die praktische Anwendung bodenbürtiger Antagonisten. So unterstützte er mit seinem Wissen und seiner praktischen Erfahrung die 2005 gegründete Fa. ABiTEP GmbH, die Produkte mit diesen Antagonisten auf den nationalen und internationalen Markt bringen konnte. Diese Produkte zur Limitierung bodenbürtiger Schaderreger werden auch dank seiner zahlreichen nationalen und internationalen Forschungstätigkeit zunehmend weltweit erfolgreich angewandt.
In seiner Tätigkeit als Wissenschaftler hatte die Kooperation mit Wissenschaftlern und Institutionen im In- und Ausland sowie der Praxis einen hohen Stellenwert. In zahlreichen Auslandsreisen konnte er den Wissensaustausch positiv beeinflussen. Er war Mitglied der Biologischen Gesellschaft der DDR und später der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft (DPG), Mitglied der Forschungsgemeinschaft der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR sowie zahlreicher Arbeitsgemeinschaften im landwirtschaftlichen Bereich, in denen Wissenschaftler und Praktiker gemeinsam an Lösungen für Schaderregerprobleme arbeiteten. Enge Verbindungen hatten er und seine Mitarbeiter auch zur Universität für Gartenbau und Weinbau in Budapest. Dafür wurde ihm dort im Juni 1989 die Ehrendoktorwürde verliehen. Zahlreiche Gastprofessuren führten ihn an verschiedene Universitäten, so in Bagdad, Aleppo und Kairo. In den 1980iger Jahren war er zudem federführend an der Überarbeitung und Herausgabe der Lehrbücher Phytopathologie und Pflanzenschutz Bde. I, II, III beteiligt.
In seiner Tätigkeit als Hochschullehrer war er stets darauf bedacht, dass die Studenten nicht nur Grundlagenwissen erlangten, sondern auch die Wechselwirkungen erkannten, die in einem pflanzenbasierten Umfeld wirken und diese in ihre Entscheidungen einbeziehen konnten. Diese Herangehensweise hat er seinen Mitarbeitern nahe gelegt und über Jahre Generationen von Pflanzenschutzbeauftragten der Betriebe mit auf den Weg gegeben. Während seiner Tätigkeit an der HU hat er 125 Promotionen als Erst- und zahlreiche weitere als Zweitbetreuer erfolgreich zum Abschluss gebracht. Darunter sehr viele aus dem arabischen Raum, Indien und Vietnam. Bis zuletzt hat er die Kontakte zu den Alumni gepflegt, an ihren beruflichen Entwicklungen teilgenommen und sie noch beraten. In seinem Mitarbeiterkreis, der Ende der 90iger Jahre zeitweilig ca. 30 Personen umfasste, pflegte er bewusst ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Im Januar 1996 feierten wir den 65. Geburtstag von Prof. Bochow, an dem eigentlich sein Ruhestand beginnen sollte. Die besonderen Umstände zu der Zeit erforderten jedoch besondere Aufgaben. Bei der Zusammenlegung der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der HU mit den Agrarwissenschaftlern der TU Berlin war die Professur der Phytomedizin mit Prof. Schulz besetzt. Da war kein Platz für Prof. Bochow. Das hat ihn sehr betroffen gemacht. Dennoch hat er sich in dieser Zeit sehr um das Fachgebiet gekümmert und der Ausbildung und der Forschung neue Impulse gegeben. Nach dem Tod von Prof. Schulz wurde der Lehrstuhl vakant, sodass Prof. Bochow bis zur Berufung von Frau Prof. Büttner im Jahr 1999 den Lehrstuhl weiter vertreten hat. Dies mit hoher Bereitschaft und Würde.
Bis ins hohe Alter war er dem Fachgebiet und den Landwirtschaftswissenschaften eng verbunden, interessiert an allen Arbeiten, Ideen einbringend und allem Neuen gegenüber aufgeschlossen. Zeit seines Berufslebens hat er sich außerdem intensiv mit der Geschichte der Landwirtschaft und der Phytomedizin beschäftigt und hochwertige Literatur darüber zusammengetragen. Das hat ihn bis zuletzt interessiert, hat er doch in einem Jahrhundert gelebt, in dem gerade die Landwirtschaft eine enorme Entwicklung erfahren hat.
Seine Mitarbeiter und Schüler haben ihn als eine außergewöhnliche Persönlichkeit erlebt, die sehr zielstrebig ihren Weg gegangen ist, menschlich fair war, zugänglich für neue Ideen, aber auch Takt- und Ideengeber war. Professor Bochow war für jeden zu jeder Zeit ansprechbar, freundlich zu allen und Vorbild im Arbeitseifer. Der Weg vom Institut in Malchow zur Vorlesung in der Invalidenstraße wurde stets mit Volldampf im Trabbi zurückgelegt.
Obwohl er in hohem Alter war, hat uns sein Ableben tief berührt. Alle, die mit ihm in irgendeiner Form zusammen gearbeitet haben, oder ihn als Lehrer erlebt haben, werden ihn vermissen und die Erinnerung an ihn in Ehren halten.
Dr. Helga Sermann, Dr. Klaus-Dieter Hentschel, Dr. Helmut Junge sowie alle ehemaligen Mitarbeiter*innen und Doktoranden
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