Humboldt-Universität zu Berlin - Ressourcenökonomie

Rivalität und Koexistenz verschiedener Anbausysteme


Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO) in der Landwirtschaft eröffnet eine neue Problemdimension. Kollidierende Problemwahrnehmungen und Interessen beteiligter Akteure treffen aufeinander, so dass sich verstärkt die Frage nach Rivalität oder Koexistenz stellt. Die Europäische Kommission hat Leitlinien zur Koexistenz entwickelt, in denen ein gleichwertiges Nebeneinander der drei landwirtschaftlichen Anbausysteme „konventionell“, „organisch“ und „mit gentechnisch veränderten Pflanzen“ propagiert wird. Landwirten und Verbrauchern soll die Möglichkeit gegeben werden, frei zwischen den Anbausystemen zu wählen.
Koexistenz wird in diesen Leitlinien als ein ökonomisches Konzept verstanden, welches sich nur auf die sicherheitsbewerteten und nach EU-Recht zum Anbau zugelassenen GVO erstreckt. Es existiert ein Toleranzwert der Verunreinigung, der anhand des EU-weit gültigen Schwellenwertes von 0,9% für zufällige und technisch nicht vermeidbare GVO-Spuren definiert wird. Um eine Unterschreitung dieses Schwellenwertes im Sinne des Koexistenzprinzips zu gewährleisten, werden beispielsweise Isolationsabstände zwischen benachbarten Feldern vorgeschrieben. Nach der deutschen Gentechnikpflanzenerzeugungsverordnung (GenTPflEV) müssen zwischen einem Bt-Maisfeld und einem konventionellen Maisfeld Abstände von 150 m eingehalten werden, um den Polleneintrag und somit das Auskreuzungsrisiko des Transgens zu minimieren. Der einzuhaltende Abstand zu mit ökologischem Mais bestellten Flächen ist höher und beträgt 300 m. Diese Regelung impliziert eine höhere Schutzbedürftigkeit des Ökologischen Anbaus vor den ökonomischen Auswirkungen eines ungewollten GVO-Eintrags in das Erntegut.
Es stell sich allerdings die Frage, ob die drei Anbausysteme in der Sichtweise der beteiligten Akteure wirklich in dem Maße koexistenzfähig sind, wie es die Zielvorstellungen der Europäischen Kommission nahelegen? Oder bestehen womöglich rivalisierende Nutzungsformen, für die ein neuer institutioneller Rahmen geschaffen werden muss? Diese Problemdimension wird in dem Forschungsprojekt „Kooperative und hierarchische Erscheinungsformen des institutionellen Wandels“ im Rahmen der DFG-Forschergruppe SiAg – Strukturwandel im Agrarsektor, anhand von ausgewählten Fallstudien in Deutschland untersucht.


Publikationen