Analytischer Rahmen
Ökologische und soziale Systeme befinden sich in einem permanenten Prozess der Koevolution. Beide Systeme sind aufeinander angewiesen; ihre Existenz hängt daher von der Fähigkeit zur wechselseitigen Anpassung ab. Um eine solche „Koadaption“ zu gewährleisten, bedarf es der „Institutionen der Nachhaltigkeit“. Dies sind Gebilde von Regeln, die durch geeignete Formen der Organisation ihre koordinierenden Wirkungen entfalten. Sie bilden sich in Prozessen institutionellen Wandels heraus oder werden explizit gestaltet. Institutionen der Nachhaltigkeit übernehmen somit eine Koordinationsfunktion zwischen den o.g. Systemen und ordnen deren wechselseitige Beeinflussung. Das Verhältnis zwischen Mensch und Natur wird demnach als sozial konstruiert aufgefasst, wobei die Herausbildung oder Gestaltung veränderter oder neuer Institutionen immer eine Frage von Gründen oder Triebkräften ist, die meist von sehr praktischer Natur sind. Sie resultieren beispielsweise in dem Wunsch zur Einsparung von Transaktionskosten oder Konfliktlösung zwischen Akteuren.
Die forschungsleitende Konzeption des Fachgebiets Ressourcenökonomie, das analytical framework der Institutionen der Nachhaltigkeit (IoS: Institutions of Sustainability), bildet ein heuristisches Konzept, das die Analyse dieser Zusammenhänge erleichtert. Hierbei handelt es sich um Systeme von Regeln und Governance-Strukturen, die sich in konkreten Handlungsarenen und -situationen herausbilden, um die Koevolution zwischen ökologischen und sozialen Systemen zu koordinieren. Institutionelle Innovation und institutionelle Steuerung in Sozio-Ökologischen Systemen (SES: Socio-Ecological Systems) miteinander werden als Resultat des Zusammenwirkens von vier Grundelementen betrachtet: Transaktionen, Akteure, Institutionen und Governance-Strukturen. Nach dem IoS-Framework hängt es von den Eigenschaften der jeweiligen Traktionen und den Charakteristika der beteiligten Akteure ab, welche Institutionen (d.h. Systeme von Regeln) sich herausbilden und durch welche Governance-Strukturen (d.h. Formen der Organisation) sie in die Praxis umgesetzt werden.
Eine Grafik zur Illustration von „Institutionen der Nachhaltigkeit“ finden Sie hier: IoS-Skizze.
Aus der Anwendung dieser forschungsleitenden Konzeption hat sich folgende Forschungsorientierung ergeben:
- Forschungsgegenstand sind naturbezogene Analysen von Institutionen und Governance-Strukturen, die für individuelles und kollektives Handeln im Umgang mit natürlichen Ressourcen und Umweltmedien sowie die damit verbundenen Fragen der sozialen und ökonomischen Entwicklung relevant sind.
- Die Untersuchung von Prozessen institutionellen und organisatorischen Wandels zielt daher auf die Regeln und Organisation der Nutzung und des Schutzes natürlicher Ressourcen wie Boden, Wasser, Luft, Energie, Klima, Biodiversität, genetische Ressourcen, Pflanzen- und Tierbestände, Ökosysteme und natürliche Allmendegüter wie Fisch-, Forst-, Wild- und Weideressourcen.
- Diese Erscheinungsformen und Fragestellungen der Ressourcenverknappung und -degradierung stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Problemen der Welternährung und Energieknappheit und der sich verschärfenden Konkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Energiebereitstellung.
- Die Forschungsgegenstände betreffen konkrete Systeme der Ressourcennutzung sowie Phänomene der Ressourcendegradierung und beinhalten demzufolge sowohl die Erklärung von Problemsituationen als auch die Gestaltung institutioneller und organisatorischer Lösungen im Umwelt- und Ressourcenschutz.
- Sie sind eng vernetzt mit Fragen der ruralen Entwicklung, die in entwickelten Ländern oft mit einem Struktur- und Funktionswandel ländlicher und peri-urbaner Räume und Ökonomie verbunden und in Entwicklungsländern häufig durch lebensbedrohende Armut und friedensgefährdende Konflikte gekennzeichnet ist.
Die Forschungsprojekte des Fachgebiets Ressourcenökonomie besitzen erhebliche Praxisrelevanz und politische Bedeutung für die Umwelt-, Agrar-, Entwicklungs- und Biopolitik. Sie sind sowohl in Deutschland als auch in der Europäischen Union, ferner in Transformations- und Entwicklungsländern und auf verschiedenen Governance-Ebenen angesiedelt, z.B. im Bereich der regionalen Selbstorganisation oder internationalen Koordination. Einen Schwerpunkt bildet der institutionelle Wandel in post-sozialistischen Transformationsländern. Fragen des institutionellen Wandels in Entwicklungsländern und urbanen Wachstumsregionen bilden ein weiteres Forschungsgebiet. Bei der Entwicklung einer institutionellen Ressourcen- und Umweltökonomie arbeitet das Berliner Fachgebiet Ressourcenökonomie mit ähnlich orientierten Instituten zusammen, z.B. mit dem The Vincent and Elinor Ostrom Workshop in Political Theory and Policy Analysis der Indiana University und dem Institut für Genossenschaftswesen an der Humboldt-Universität zu Berlin. Das Fachgebiet beheimatet eine Reihe von Einzelprojekten und meist internationalen Verbundprojekten und unterhält eine von Volker Beckmann und Konrad Hagedorn herausgegebene Schriftenreihe sowie eine Discussion Paper Serie mit dem Titel: „Institutional Change in Agriculture and Natural Resources (ICAR)“.
Eine Kurzbeschreibung des analytischen Rahmens „Institutionen der Nachhaltigkeit“ finden Sie in dieser IoS-Skizze.
Mehr Informationen zum Thema „Institutionen der Nachhaltigkeit“ finden Sie in folgendem Aufsatz:
Hagedorn, Konrad (2004): Institutionen der Nachhaltigkeit – Eine Theorie der Umweltkoordination. In: Dabbert, S.; Grosskopf, W.; Heidhues, F.; Zeddies, J.: Perspektiven in der Landnutzung – Regionen, Landschaften, Betriebe – Entscheidungsträger und Instrumente. Schriften der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus e.V. (GEWISOLA), Bd. 39. Münster-Hiltrup: Landwirtschaftsverlag: 65-73