Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Genossenschaftswesen

Bundesweites Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes

Genossenschaftsidee für die internationale "Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit"

Genossenschaftsidee in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes 2014 aufgenommen


Die Genossenschaftsidee ist ein allen Interessenten offen stehendes, überkonfessionelles Modell der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung auf Grundlage von Kooperationen. Die „Väter“ der Genossenschaftsidee, Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen, gründeten Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten genossenschaftlichen Organisationen. Aufbauend auf ethischen Werten wie Solidarität,

Ehrlichkeit und Verantwortung konstruierten sie den grundlegenden rechtlichen Rahmen für die Genossenschaftsidee: eine Vereinigung mit nicht geschlossener Mitgliederzahl und gemeinschaftlichem Geschäftsbetrieb, die individuelles Engagement und Selbstbewusstsein stärkt und soziale, kulturelle und ökonomische Partizipation ermöglicht. In der Satzung einer Genossenschaft wird der jeweilige Förderzweck festgeschrieben, der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Interessen dienen kann. Mitglieder werden durch den Erwerb von Genossenschaftsanteilen zu Miteigentümern. Ihre, von der Zahl der erworbenen Anteile unabhängige Stimme sichert ihnen Mitbestimmung und die Möglichkeit der aktiven Mitgestaltung zu.

Die Genossenschaftsidee wurde schnell von weiteren Akteuren aufgegriffen, erfasste bald große gesellschaftliche Kreise und fand ihre Anwendung in verschiedensten Lebensbereichen wie Arbeit, Finanzen, Ernährung oder Wohnen. Die Genossenschaftsidee findet sich heute regional und weltweit innahezu jeder Branche wieder: z. B. in Genossenschaftsbanken, Landwirtschafts- und Handwerkergenossenschaften, Wohnungsbau- und Konsumgenossenschaften bis hin zu Dienstleistungs- und Energiegenossenschaften. Auch unter widrigen Bedingungen, wie zur Zeit des

Nationalsozialismus und während der deutschen Teilung, hat sich die Idee gehalten und wurde weiterverfolgt. In Deutschland haben Genossenschaften heute mehr als 21 Millionen Mitglieder. Weltweit gibt es 800 Millionen Genossenschaftsmitglieder in über 100 Ländern. DieVereinten Nationen riefen das Jahr 2012 zum Internationalen Genossenschaftsjahr aus, um auf die weltweite Bedeutung von Genossenschaften aufmerksam zu machen.

Durch die Kulturform der Genossenschaften kommt bürgerschaftliches Engagement im sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich jenseits von privaten und staatlichen Wirtschaftsformen zum Ausdruck. Die Genossenschaftsidee erweist sich als sehr dynamisch und einflussreich und eröffnetweniger privilegierten Bevölkerungsschichten neue Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe. Sie greift grundlegende Prinzipien des kulturellen Selbstverständnisses menschlicher Gemeinschaft auf und überträgt sie in die ökonomische Praxis. Die Genossenschaftsidee trägt zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen bei und wird durch kreative Veränderungen immer wieder an moderne Gegebenheiten angepasst.

Quelle: http://www.unesco.de. Deutsche UNESCO-Kommission e.V.