Humboldt-Universität zu Berlin - Ressourcenökonomie

Institutioneller Wandel und Governance-Reform in Sozial-Ökologischen Systemen

Menschliches Verhalten und insbesondere ökonomische Wahlhandlungen hängen entscheidend von den sozialen Konstruktionen ab, die Akteure und Gesellschaften im Laufe der Zeit entwickelt haben und wie diese wiederum ihre eigenen Denkprozesse und Zukunftsvisionen geprägt haben. Diese allgegenwärtige Interdependenz von Struktur und Agency findet seinen Ausdruck darin, dass die Traditionen und Religionen, Normen und Regeln, Sprachen und Diskurse, Vertrauen und Bindung, mentale Modelle und Glauben (beliefs) entstehen, praktiziert werden und sich verändern. Allerdings finden solche Prozesse der sozialen Konstruktion und Dekonstruktion nicht nur in der sozialen Welt statt; im Gegenteil, sie werden maßgeblich konditioniert und beeinflusst durch Eigenschaften der physischen und natürlichen Umwelt. Es sind die physischen Ressourcen und natürlichen Systeme, aus denen Menschen Materie und Energie extrahieren möchten, auf denen sie lebende Organismen wachsen lassen möchten, in die sie Abfall entsorgen möchten, diese zeigen eine große Breite von Eigenschaften und sind wechselnden Knappheiten unterworfen. Die miteinander verknüpften ökologischen, biologischen, geologischen, hydrologischen, marinen und atmosphärischen Subsysteme des Erdsystems sind extrem vielfältig und komplex, unterliegen einem dauernden Wandel und werden von Menschen nur in einem begrenzten Maße verstanden. Dies gilt gleichermaßen für die Werkzeuge, Technologien und Infrastrukturen, die die Menschen entwickelt haben – mit einer rapide anwachsenden Geschwindigkeit von Innovationen und Expansionen während des letzten Jahrhunderts – und installiert haben, um jene Systeme zu benutzen, zu pflegen, mit ihnen fertigzuwerden oder sie auch zu schützen, beispielsweise landwirtschaftliche Maschinen, Bewässerungssysteme, Forstausrüstung und Fischereitechnologien.
 
Solche Werkzeuge, Technologien und Infrastrukturen haben die menschlichen Möglichkeiten zur Durchführung „naturbezogener Transaktionen“ immens erweitert, woraus sich wichtige Konsequenzen ergeben. (Hier kommt nichts auf dem Band, ca. 1 Minute). Erforderlich sind, um die Interaktionen natürlich-technischer und sozial-institutioneller Systeme Normen und Regeln zu unterwerfen. Ausgehend von diesem natürlichen und technologischen Kontext, diese sozialen Konstruktionen menschlichen Verhaltens beeinflusst, erscheint es offensichtlich, dass die Regelung und Organisation der Wechselbeziehungen von Menschen mit den soeben skizzierten und verflochtenen Systemen, den natürlichen und technologischen Systemen, die gleichzeitig die Beziehungen zwischen ihnen selbst tangiert, nicht durch nur wenige und einfache soziale Konstruktionen erreicht werden kann. Im Gegenteil, eine solche Diversität und Komplexität in natürlichen und mit ihnen verbundenen technologischen Systemen erfordert eine entsprechende Diversität und Komplexität in Institutionen und Governance-Strukturen und –Formen, was nicht nur eine plausible Vorstellung darstellt, sondern theoretisch und empirisch unterlegt worden ist durch den Vincent und Elinor Ostrom Workshop in Political Theory and Policy Analysis an der Indiana University in Bloomington, USA.
 
Eine theoretische und empirische Schlussfolgerung verdient besondere Betonung: Jede Institutionenanalyse in der Interaktion von natürlich-technischen und sozial-institutionellen Systemen sollte explizit mit der Akzeptanz von Komplexität und Diversität beginnen. Dies bedeutet einen Verzicht auf unangemessene Vereinfachungen in der Institutionenanalyse und demzufolge Vorsicht bei der Anwendung theoretischer Ansätze und empirischer Methoden, die quasi automatisch eine nicht vertretbare Vereinfachung mit sich bringen. Für die Formulierung von Empfehlungen zur institutionellen Innovation oder für Politikreformen ist es gleichermaßen wichtig, Blaupausen zu vermeiden, die den Eindruck erwecken, als könnten sie überall erfolgreich angewandt werden, unabhängig vom physischen und sozialen Kontext und dem historischen Hintergrund. Es gilt die berühmte Warnung von Elinor Ostrom vor den Allheilmitteln.

 

Diese Problemdimension wurde in  folgenden Forschungsprojekten behandelt:

  • PINE (Transcoop)
    Promotion of Institutions for Natural Resource and Environmental Management in Central and Eastern Europe
  • Bahro-Archiv
    Aufarbeitung des wissenschaftlichen Nachlasses des Sozialökologen Rudolf Bahro

 

Mann, Carsten

Sozial-Ökologische Systeme – eine Analyse der Entstehung von Governanceregimen und ihre Wechselwirkungen mit Instrumenten der Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik

Otto-Banaszak, Ilona

Vom Regieren zum Verwalten: Probleme und Spannung bei der Überführung zum „Polycentric Governance“ von Umweltressourcen

Pinto Siabato, Flavio

Institutionen der Nachhaltigkeit in ökonomischen und ökologischen Systemen aus der Perspektive der Komplexität

Schleyer, Christian

Marktbasierte Instrumente als Komponenten institutioneller Arrangements zur Bereitstellung von Ökosystemleistungen, am Beispiel von klima- und naturschutzorientierten Landnutzungsmaßnahmen in mitteleuropäischen Kulturlandschaften

Schlüter, Maja

Mechanismen der Veränderung und Resilienz gekoppelter sozial-ökologischer Systeme am Beispiel der Wasser- und Fischereinutzung

Theesfeld, Insa

Water and Institutional Analysis – Power and Leadership in Natural Resource Management

Thiel, Andreas

Die Gestaltung des Maßstabs der Ressourcengovernance

Zikos, Dimitrios

Ressourcenknappheit, Wettbewerb und das Verhältnis zwischen Konflikt und Kooperation. Die Rolle von Institutionen in der Beeinflussung von Ergebnissen